Zur Auftaktveranstaltung des Grazer Kunstwettbewerbs Annenstraße-Weibsbilder-Preis wurden am Dienstag, den 7. Oktober 2014 im Rahmen einer feierlichen Auftaktveranstaltung drei Geldpreise an die glücklichen Bildenden Künstlerinnen vergeben. Vera Schranz, gebürtige Serbin mit Lebensmittelpunkt in Graz gewann mit ihrem Pastellkreidewerk „Annemieren“ den 1. Preis. Der 3. Preis wurde mit dem 2. Preis gleichgestellt, da die Werke von Marina Stiegler und Judith Zillich von der Jury als sich überaus ergänzend bewertet wurden.
Die sieben weiteren in der Ausstellung vertretenen Bildenden Künstlerinnen sind Beba Fink, Irene Mischak, Donia Streher, Katharina Swoboda, Karin Wimmer, Jessica Zahel, Daniela Zeschko.
DIE PREISTAGENDEN WERKE:
1. PREIS
Vera Schranz erhält den 1. Preis im Kunst-Wettbewerb „Annenstraße-Weibsbilder-Preis“. Ihr Bildnerisches Werk zeichnet sich durch eine große visionäre und utopische Kraft aus. Es zeigt, dass Frauen sich ihre Umwelt konkret gestalten und erschaffen wollen. Dass sie über das Potenzial verfügen, mittels ihres kreativen Einsatzes ein selbstbestimmtes Frauenbild zu leben und sich den städtischen Raum durch aktiven Einsatz erobern können. Der Titel des Werkes ist ein neu erschaffenes Kunstwort und setzt sich aus dem Wort Annenstraße und Animieren zusammen, womit auf Motivation und Anregung zur Selbstgestaltung des Lebensumfeldes hingewiesen wird. Das Werk „Annemieren“ (Pastellkreide auf Velourspapier) weist aber ebenso auf den vielfach geäußerten Wunsch der Annenstraße-BewohnerInnen nach mehr Grün in der Straße hin. Es illustriert neben dem ökologischen Aspekt, wie wichtig urbane Grünzonen für den Stadtmenschen sind, ebenso die weibliche, schöpferische Kraft und Befähigung die Welt lebenswert zu gestalten.
Der 3. Preis wurde mit dem 2. Preis gleichgestellt, da die Werke von Marina Stiegler und Judith Zillich von der Jury als sich überaus ergänzend bewertet wurden
Marina Stiegler begab sich für ihr Werk „Annenstraße_Innenansicht“ (Kaseinfarbe auf Holz) in die direkte Kommunikation mit Frauen, die in der Annenstraße wohnen oder arbeiten und interviewte diese. In dieser intensiven Auseinandersetzung versuchte sie zu ergründen, welche Kraft- und Schutzzeichen oder Talismane Frauen verwenden, um Trost und Stärkung oder auch Heilung von (emotionalen) Verletzungen daraus zu beziehen. Die Symbole und Schutzzeichen dieser Frauen wurden mit den jeweiligen Hausnummern und Vornamen der Frauen auf Schwemmholz aufgemalt, welches die Künstlerin für den Wettbewerb extra aus der Mur gefischt hatte. So entstand ein simplifizierter Grazer „Stadtplan-Auszug“, der einem Totempfahl ähnelt und vom Bahnhofsgürtel über die Mur und durch die Annenstraße bis zur Innenstadt führt. Mit dem Schwemmholz stellt sie einen Bezug zum Wasser her und damit zur Historie der Stadt. Und ebenso zur Stadtstruktur, dem linken und rechten Murufer, welches die Stadt auch in die unterschiedliche Einkommenssituationen der BewohnerInnen aufteilt. Die Künstlerin geht sehr intensiv auf die individuellen Lebenssituationen und Biografien der Frauen ein, stellt diese vereinfacht, aber direkt dar und drückt durch das Totem die kulturelle Diversität aus, welche in der Annenstraße vorzufinden ist.
Wer in einer engen und kleinen Wohnung lebt, hat vermutlich kein Geld für eine größere. So verbindet sich Armut mit blauen Flecken. Zillich sagt über ihr Werk: „Die Wohnungen (in der Annenstraße) schauen eng aus, wenn sich die Frauen während der Hausarbeit dort bewegen, rammen die Beine vermutlich an Tisch- und Möbelkanten.“ So könnte es sein. Es könnte aber manchmal ebenso sein, dass die blauen Flecken durch häusliche oder sexuelle Gewalt entstanden sind. Blaue Flecken werden von Opfern häuslicher Gewalt oft als „Verletzung durch Anrennen an Möbel“ aus Scham zu vertuschen versucht. Zillichs Werk “Blaue Flecken von den Kanten der Möbel“ (Öl auf Leinwand) schneidet daher äußerst subtil (unbewusst?) ein Tabuthema an. Häusliche Gewalt ist besonders oft in ärmlichen Verhältnissen anzutreffen. Die Annenstraße, das Annenviertel wird von den Grazern auch als „Arabisches Viertel“ bezeichnet, aufgrund seines hohen Anteils an BewohnerInnen mit Migrationshintergrund, welche sich wie auch Einheimische mit geringem Einkommen in Bezirken ansiedeln, in denen zwar preiswerte, aber beengte Wohnverhältnisse anzutreffen sind, welche häusliche Gewalt begünstigen können. Zillichs Ölgemälde mit erotischer Komponente zeigt (vielleicht ungewollt) eine sonst nicht sichtbare Realität, welche im Bildwerk auf eine mögliche verborgene (familiär bedingte) Aggression gegenüber Frauen hinweist.
Das Bundeskanzleramt schreibt hierzu, Quelle: http://www.bka.gv.at/site/5463/default.aspx
Zitat: „Am häufigsten erleben Frauen Gewalt in ihrer Familie, 90 Prozent aller Gewalttaten werden nach Schätzungen der Polizei in der Familie und im sozialen Nahraum ausgeübt. Die Dunkelziffer bei familiärer Gewalt ist sehr hoch, Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass jede fünfte Frau bereits Gewalt in einer Beziehung erlebt hat.
Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund sind darüber hinaus auch von einer spezifischen Form von häuslicher Gewalt betroffen – der traditionsbedingten Gewalt.“
Text: Kerstin Eberhard
Zu sehen sind künstlerischen Beiträge noch bis 31.10.2014 in der Galerie Blaues Atelier in der Annenstraße 33, 8020 Graz.
Geöffnet: Di., Mi., Do., Fr., 15–18 Uhr.
Und zusätzlich nach telefonischer Vereinbarung.
+43 (0)650/81 71 610 od. +43 (0)660/52 20 949
Es folgen an den kommenden drei Dienstagen die Preisvergaben in der Sparte Literatur:
Dienstag, 14.10.2014 um 19 Uhr: Lesungen und Vergabe des 3. Preises Sparte Literatur,
es lesen die Nominierten Anna Adam, Ulla Puntschart (Ulrike Schuster) und Marlene Zeintlinger
Dienstag, 21.10.2014 um 19 Uhr: Lesungen und Vergabe des 2. Preises Sparte Literatur,
es lesen die Nominierten Lisa Lasselsberger, Heide Spitzer und Bettina Sticher
Dienstag, 28.10.2014 um 19 Uhr: Lesungen und Vergabe des 1. Preises Sparte Literatur,
es lesen die Nominierten Bibiana Stift, Christine Teichmann und Andrea Wolfmayr
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